Am Dienstag, den 27. August, gegen 15 Uhr war es soweit. Wir sollten Europa verlassen. Tausend Fragen kamen in unsere Köpfe. Wann werden wir Europa wieder betreten? Wird es uns in Marokko gefallen? Und in den weiteren Zielen? Werden wir Europa vermissen? Hätten wir doch nach Madeira fahren sollen, wie alle anderen? Der heutige Blogpost ist etwas länger geworden, wir haben aber auch viel erlebt. 😉
Bei einer sehr ekligen anstrengenden kurzen Welle von der Seite begann die Überfahrt… einfach eklig. Und der Portugal-Nebel war auch wieder da, zum Glück nicht so stark. Die bekannten portugiesischen Fischreusen mussten dabei auch noch umfahren werden, was immer ein riesiger Spaß ist. Der erste Tag war also solala. Ich legte mich, wie bereits bei der Biskaya-Überquerung bewährt, mit den Kindern hin. Kevin übernahm den ersten Teil der Wache, ich die unleidliche Hundewache.
Wann kommen wir bloß wieder? Bye bye Europa.
Fisch – der rote Faden der Überfahrt
Zu allem Überfluss wollte unser AIS auch nicht so richtig funktionieren. Statt wie bisher etwa 30 bis 80 Seemeilen Empfang (abhängig von der Antennenhöhe der anderen Schiffe/Landstationen) hatten wir jetzt nur noch schlappe drei Seemeilen Empfang, vom Senden ganz zu schweigen… warum geht auch immer alles kaputt an einem Boot? Unsere Vermutung ist eine Wackelkontakt am Verbindungsstecker, wir werden berichten. Unsere Notantenne kam zum Einsatz und lieferten uns zum Glück super Ergebnisse.
Am Capo de Sao Vicente nahmen die Fischreusen wieder zu und der erwartetet Großschiffsverkehr blieb aus. Dabei haben wir extra getimet, dass wir im hellen das Verkehrstrennungsgebiet (kurz VTG) passieren. Der zweite Segeltag war von der Welle deutlich angenehmer, dennoch war ich wirklich froh, dass ich was leckeres vorgekocht habe. (Es gab ein senegalisches Gulasch, das Rezept habe ich von einer lieben Freundin. Wir alle lieben es!) Nach dem Mittagessen habe ich ein Nickerchen gemacht, anders geht es auch nicht. Was haben wir sonst schönes mit den Kindern gemacht? Es gab mal einen Film, es wurde gebastelt und geangelt, wir haben Hörbuch gehört und die Tante aus Marokko gesungen. 🙂 Das war unser Song der Überfahrt. Ist Euch übrigens jemals aufgefallen, dass für die Tante aus Marokko, einem zu Großteil muslimischen Land, ein Schwein geschlachtet wird? Nur mal nebenbei…
Sonnenaufgang nach der zweiten Nachtwache. Das Highlight der Überfahrt! 13 Seemeilen vor der Küste, eine Goldmakrele, wow!
Ich legte mich mit den Kids wieder schlafen und Kevin durfte Bekanntschaft mit der Großschiffahrt machen. Die fahren nämlich in der Mehrzahl nicht durch das VTG, sondern Außenrum – sieht man auch bei Marinetraffic und Co.. Theorie und Praxis sind wirklich nicht immer gleich. Außerdem gab es nicht wie gemeldet etwa 1,5 Meter Wellen, sondern drei Meter. Eine Welle stieg sogar achterlich in unser Heck ein und ergoß sind ins komplette Cockpit, bis in den Salon rein. Armer Kevin. Als ich meine Wache übernahm, war der Spuk schon wieder vorbei.
Am dritten Segeltag schlief dann der Wind gegen Mittag ein, wir mussten Motoren, grummel. Kurz vor der Marokkanischen Küste ist das sehr häufig der Fall. Mit dem Wind schliefen aber auch die Wellen ein, was angenehmere Bootsbewegungen bedeutet. Die Farbe vom Wasser war ein tiefes azurblaue, wunderschön. Und ein Vorteil, wenn man motort: Eine heiße Dusche mitten auf dem Atlantik! Ihr glaubt garnicht, wie gut das tut! 🙂 Wir mussten sowieso darauf achten, dass wir bei Hochwasser in die Marina Bouregreg einlaufen, so tümpelten wir gemütlich mit drei Knoten, teils auch unter Segel, vor uns hin. Bewährtes Spiel mit den Wachen, die Nacht war schon merklich wärmer.
Am vierten Segeltag machten wir dann Bekanntschaft mit den marokkanischen Fischern. Etwa 20 Seemeilen vor der Küste lagen keine Fischreusen oder einzelne Bojen, nein, da lagen ganze Fischernetze in extremer langer Breite (viele hundert Meter)! Und über die kann man nicht rüberfahren, denn das Netz geht bis obenhin. Kevin war noch nicht richtig wach und ich dabei die Kinder gerade anzuziehen, als ich meinen regelmäßigen Kontrollblick tat. Etwa 200 Meter vor uns eine Bojenwand, das habe ich noch nicht gesehen. Voller Unsicherheit rief ich um Hilfe und legte ein gekonntes Ausweichmanöver hin. Kevin stürmte in Unterhose ins Cockpit und fragte verstört, was los sei. Danach war klar, dass jetzt immer einer von uns dauerhaften Ausguck halten muss.
Irgendwann bemerkte Kevin dann einen Fischschwarm, der mit unserem Boot schwamm. Folgender Dialog fand wirklich statt. Er: “Sollen wir angeln?”. Ich und die Kinder: “Ja klar!”. Er: “Und was machen wir mit dem Fisch?” (Es sei der Müdigkeit geschuldet.) Ich mit einem großen Fragezeichen im Gesicht: “Essen???” Er: “Ok”. Er warf die Angel ins Wasser und nach nicht mal zehn Sekunden (ich übertreibe nicht!) hat ein Fisch angebissen. Wir waren völlig überfordert. Wo ist das Messer? Wo sind die Handschuhe? Wohin mit dem Fisch? Die Kinder waren total happy und sehr pragmatisch. “Lecker Fisch! Papa muss den jetzt töten. Ich habe schon so Hunger! Kann ich ihn anfassen? Der Fisch hat auf unserem Boot getanzt.” Alles hat dann gut funktioniert und unser erster gefangener Fisch seit Start der Langfahrt sollte eine Goldmakrele sein!
Eine Chronologie der Müdigkeit ohne Kommentar
Die erste Nachtwache ist die Schlimmste. Kalt war es auch, brrr. Fit sieht anders aus. Ich brauche einen Mittagsschlaf! Die dritte Wache war die beste, auch wenn man es nicht sieht.
Die Hafeneinfahrt – von schwimmenden Verrückten und treibenden Booten
Die Hafeneinfahrt nach Rabat, beziehungsweise zur Marina Bouregreg, war dann wieder sehr speziell. Dutzende schlecht erkennbare Doppel-Plastikflaschen haben Fischreusen markiert und wir sind wirklich Slalom gefahren. Bisher dachten wir Portugal ist schlimm was die Fischreusen betrifft. Vergesst alles! Es ist unbedingt notwenig den Hafen über Funk zwei Seemeilen vor der Einfahrt zu kontaktieren. Ein Pilot der Marina kam dann, um uns in die Marina zu geleiten, toller Service und sehr freundlich (ohne geht das auch nicht). Doch nicht die Untiefen waren das Problem, sondern treibende Fischboote, auf unser Boot zu schwimmende Männer und ein starker Strom, 30 Minuten vor Hochwasser – Flussaufwärts wohlgemerkt! Bei ablaufendem Wasser inklusive dem Flussstrom und bei nur wenig Schwell in der Einfahrt entsteht ein Hexenkessel (Gezeitenrevier 2.0)! Ach ja, der kleine Strand im Vorhafen ist hier der Spot der Surfer…
Blick bei der Hafeneinfahrt. Hier kann man sie sehr gut sehen… Zum Glück sind wir bei Hochwasser rein.
Drogenhund an Bord
Schließlich haben wir außerhalb der Marina festgemacht. “Police will come, stay here.” Unsere erste Einklarierung stand an und wir waren ein wenig nervös. Zuerst kamen zwei Polizisten an Bord und ließen uns erstmal alle möglichen Formulare ausfüllen. Sie waren aber sehr freundlich und die Jungs durften sogar die Polizeischärpe anziehen. Ob wir Waffen oder Drogen an Bord hätten. Äh, nein. Drohne? Ja. Sie wurde sofort konfisziert. “You will get a recipe for that.” Danach folgte eine sporadische Untersuchung unsere Bootes. Puh, geschafft. “Drugdog will come, stay here.” Wir sind dann mit den Kindern lieber ins Cockpit gegangen, wer weiß was da für ein Tier kommt.
Drei Mann und eine Frau mit Schäferhund kamen dann, es wurden fleißig Bilder gemacht und der Hund mit “Ma chére, cherchez” animiert an Bord zu hüpfen. Er lief einmal zum Anker, einmal zurück, schnupperte kurz in den Niedergang und hüpfte wieder von Bord. “We will bring you documents later.” Wir haben dann in der Marina festgemacht und fühlten uns sogleich wie ein Affe im Zoo. Die Marina scheint die Attraktion zu sein, jeder macht Selfies von sich und den Yachten. Ein Tuch als Sichtschutz hilf sofort. Als wir nach etwa zwei Stunden immer noch nicht unsere Papiere wieder hatten, machte sich Kevin auf dem Weg. Just in dem Moment kam der nette Polizist. Einen “Schein” für unsere Drohne fehlte allerdings. Also ist Kevin bei gefühlten 40 Grad zum Zoll gelaufen, doch die verwiesen ihn auf die Marina. Dann ging es zur Marina, die verwiesen ihn zum Zoll. Da gab es dann irgendwie doch die Bescheinigung und wir waren endlich angekommen. 🙂
Marokko – wir sind geflasht
Eins kurz vorweg, weil der Blogpost eh schon lang ist. Nach dem ersten Kulturschock – wir überlegten tatsächlich sofort wieder abzureisen – sind wir wirklich ein wenig verliebt, in das fantastisch leckere Essen, die völlig fremde Kultur und die sehr freundlichen Menschen. Ja, es gab auch ein paar doofe Erlebnisse. Und unsere Kinder werden ständig abgeknutscht, aber da müssen sie durch. Wir haben bereits Salé und Rabat ein wenig erkundet und am Donnerstag fahren wir mit dem Zug nach Marrakesch und machen eine Tour durch das Landesinnere. Wir werden berichten.
4 Gedanken zu „Fischige Überfahrt – Ankunft in Marokko“
Sehr spannend. Gut das ihr gut durchgekommen seid und nicht gleich wieder umgedreht seid. Marroko ist bestimmt toll. Ich freu mich auf den nächsten Bericht!
Bis jetzt sind wir sehr verliebt und auch froh, dass wir nicht gleich wieder weg sind. ?
Deinen Gedanken hatte ich auch schon oft, vom Lied der Tante aus Marokko und dem Schwein ?
Gerade vor 2 Std. habe Ich es in der Kita-AG gesungen.
Ich drücke Euch und wünsche Euch weiterhin eine tolle Zeit außerhalb Europa.
Bin immer ganz gespannt auf neue Nachrichten von Euch.
Übrigens ist heute Mittag Tanzen in Eurer ehemaligen Gruppe in GG angesagt. Wir sprechen oft über Euch. ?
LG Tanz-Heike
Vielen Dank, liebe Heike! ? Wir freuen uns schon sehr, Marokko weiter zu entdecken. Schön, wenn Ihr in Gedanken bei uns seid. ?
Liebe Grüße
Christina und ihre drei Männer