Nach intensiver Wetteranalyse, Recherche in Fachforen und -büchern haben wir uns am Donnerstag dazu entschlossen, Freitag Abend die Biskaya zu überqueren. Nachdem sich die Wetterdaten dann leicht geändert hatten, wurde daraus spontan Samstag früh. Unser herbeigesehntes Wetterfenster war da. Warum also länger warten?
Die berüchtigte Biskaya… gefürchtet und respektiert von allen Seglern weltweit. Hier kommen Segler ums Leben und Yachten gehen kaputt. Was ist so besonders an der Biskaya? Steffi hat das und viele Tipps in ihrem Blog sehr schön zusammengefasst. Vielen Dank dafür! Wir haben vieles daraus beherzigt. Hier die Schlagworte der Biskaya-Besonderheit:
- Der Kontinentalschelf: Innerhalb weniger Seemeilen fällt die Meerestiefe um rund 4000 Meter. Dadurch werden die Wellen höher und stärker.
- Der Verlauf der Küstenlinie: Dadurch überlagern sich die Seen.
- Durchzugsgebiet der atlantischen Tiefdruckgebiete
Kevin würde noch ergänzen: der Kurs. Aber dazu später. Wie ist es uns also ergangen? Wie waren die Hundewachen? Was sind Hundewachen? Wie ging es den Kindern? Wie ging es den Erwachsenen?
Die Vorbereitung
Als allererstes haben wir uns am Tag vor dem Start ausgeschlafen! Es war klar, dass die Überquerung mit etwa 70 Stunden segeln am Stück inklusive zwei Nachtwachen anstrengend werden wird. Die Kinder und ich haben frische Lebensmittel eingekauft und haben vorgekocht. Kevin hat in der Zeit ein Strecktau installiert und das Schiff weiter vorbereitet. Am Abend vor dem Start haben wir dann die Route geplottet – berechnete Wegpunkte abhängig von der Windvorhersage in die Karte eingetragen, um diese dann mit der Realität zu vergleichen –,uns nochmal die Wetterdaten angesehen und die Nachtwachen besprochen. Geplant war, dass ich mich mit den Kindern abends schlafen lege und Kevin in den Sonnenuntergang segelt. Sobald er müde werden würde, sollte er mich wecken und ich übernehme die sogenannte Hundewache, die undankbare Schicht von etwa ein Uhr bis sieben Uhr.
Navigationstisch Karte der Biskaya Wetterdaten per Satellitentelefon
Tag 1 – der wilde Ritt
Die Erwachsenen durften um sechs Uhr aufstehen und mit schlafenden Kindern ablegen. Da es recht kühl und ungemütlich war, sind wir nur durch die Glénan-Inseln durchgefahren und haben hier keinen Zwischenstopp eingelegt. Und dann ging es los. Von den vorherigen stürmischen Winden (Ihr erinnert Euch, wir mussten von der Belle-Île flüchten) ist eine eklige schwellige Welle verblieben. In Kombination mit unserem Kurs entstand ein großes Geschaukel, da wir den Schwell genau von der Seite aus 90 Grad hatten. Bei einer Wellenhöhe von zwei Metern und einer Windstärke von fünf Beaufort entstand ein unangenehmes intensives und anstrengendes Geschaukel. Resultat: Die Kinder haben sich jeweils drei mal übergeben und wir hatten zum ersten Mal Vomex im Einsatz. Timo hat brav den Saft getrunken, Robin schmeckte er natürlich nicht, da mussten Zäpfchen her. Timo hat das Geschaukel generell am schlechtesten vertragen, der arme Kerl. Wir sind mit gerefftem Groß und gereffter Genua gefahren.
Ich habe mich nach dem Mittagessen mit den Kindern dann einfach ins Bett gelegt, da so das Geschaukel und die Kräfte auf den Körper für sie am besten zu ertragen waren. Wir haben Hörbuch gehört, sind hin und her gekugelt, haben gekuschelt und dann auch schlicht geschlafen. Wahnsinn, wie wir teils in die Matratze gedrückt wurden. Abends bin ich mit ihnen dann auch früh schlafen gegangen, um fit für meine Nachtwache zu sein. Um ein Uhr früh bin ich wach geworden und habe mit Kevin getauscht. Ich kann nur eins sagen: Man ist das kalt in der Nacht! Ich habe mir eine Eieruhr gestellt und bin alle 20 Minuten nach oben für einen Rundblick gegangen. Es war erstaunlich, wie viel man nachts doch erkennen und sehen kann. Die Verhältnisse waren stabil und ich musste seglerisch nichts verändern. Meine erste Nachtwache war dank Hörbuch, Tee und Kuscheldecke gut zu meistern.
Tag 2 – Hochgeschwindigkeit mit der Fock
Der zweite Tag war sonnig und der Seegang hatte sich stark verändert. Wir waren nun im Bereich, wo die Wassertiefe über 4.400 Meter lag und die Wellen länger sind. Die See kam nun weiter von vorne aus 80 Grad, so hatten wir weniger Geschaukel. Der Kurs war angenehmer zu fahren. Dennoch waren die Wellen mit 2,5 Metern höher und auch die Windstärke hatte mit sechs Beaufort zugelegt. So war der Tag durch die größeren Kräfte körperlich anstrengend und ich hatte das Gefühl Hochleistungssport zu machen. Es gab keine Pause zum Erholen. Die Kinder hatten sich zum Glück nur noch ein mal morgens übergeben. Wir hatten die Fock gesetzt und das Groß stand im dritten Reff. Bei 7,5 Knoten Fahrt lag das Boot recht ruhig. Gegen Nachmittag ging der Wind auf vier Beaufort runter und die Welle wurde sofort kleiner.
Hoch und runter . (Oder hin und her) Nochmal aus einer anderen Perspektive. Studentenfutter, Gummibärchen und Lesen halten die Laune hoch.
Wir konnten so Lesen, Singen (unser Lieblingslied: Y viva España von Manolo Escobar) und Spielen, das Bordleben war angenehmer. Für mich hieß es nach dem Mittagessen mit Timo wieder Mittagsschlaf, um auch für die zweite Nachtwache fit zu sein. Kevin hatte bei seiner Schicht einen schönen Sonnenuntergang (den Ihr jetzt auf der Startseite im Header sehen könnt 🙂 ) und ich bin wieder um ein Uhr meinen Dienst angetreten.
Tag 3 – Genusssegeln mit dem Parasailor
Um drei Uhr nachts ist die vorhergesagte Flaute eingetreten. Ich musste die Segel bergen und (leider) den Motor anmachen. Das Groß hatte ich gesetzt, damit das Boot in der Motorfahrt nicht so schaukelt. Die Männer haben selig geschlummert. Um kurz vor sieben Uhr war es draußen schon hell und ich hatte es mir mit meinem Tee gemütlich gemacht. Und dann war es soweit. Es ist tatsächlich passiert. Stundenlang hatte ich vergeblich Ausschau gehalten. Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt. Da waren sie, Delfine und haben uns begleitet! Es war ein unglaublich schöner Moment und ich empfand pures Glück. Nur ich, die Ruhe und die Delfine, so schön!
Hallo ihr! Ich bin verzückt! Einer der Glücksmomente.
Gegen 12 Uhr kam zum Glück wieder ein leichter Wind mit drei Beaufort und wir haben unseren Parasailor gesetzt. In diesem Moment kamen wieder Delfine zu Besuch und haben sich mit uns gefreut. Nach neun Stunden Motor konnten wir das lästige Gebrumme abstellen und sind mit fünf bis sechs Knoten über die See geglitten. Um 19 Uhr haben wir endlich den Anker geschmissen. Wir waren in Spanien.
Fazit: Wir sind 315 Seemeilen in 60 Stunden gesegelt. Unsere Durchschnittsgeschwindigkeit betrug also 5,25 Knoten. Jeden Tag hatten wir andere Segel gesetzt und auch gebraucht. Der Windpilot hat uns in etwa 50 Prozent der Zeit gesteuert. Die Biskaya-Überquerung war anstrengend und intensiv. Wir sind glücklich, müde, stolz, dankbar und erschöpft und werden einige Tage in der traumhaften Bucht in Cedeira bleiben. Wir fühlen uns wie im Paradies und das Reisen hat begonnen.
Kevin, der Erklär-Hirsch
Wichtig war uns, dass wir los kommen. Natürlich wollten wir bei sicheren Bedingungen fahren. Deswegen haben wir abgewartet, bis der Nord-West-Wind einsetzte (Tief dann durchgezogen). Dadurch blieb uns genug Zeit, bis das nächste Tiefdruckgebiet kommt, das Sturm bringt. Wir wussten auch, dass kurz vor Spanien eine Flaute kommen wird, zu Beginn aber viel Welle steht. Wir mussten also so los fahren, um genau den Moment abzupassen, um nicht zu viel von der Flaute, aber auch so wenig wie möglich von der stehenden Welle von den besagten Starkwinden abzubekommen. Uns war bewusst, dass der erste Tag sehr schaukelig werden wird, deswegen haben wir die Abfahrt um 12 Stunden nach hinten verschoben, um das so weit wie möglich zu minimieren. Die Sicherheit genug Zeit zu haben, um im schlimmsten Fall in eine Flaute zu kommen, und nicht ein Tief im Nacken zu haben, war uns sehr wichtig. Das Schiff war bereit, gut ausgerüstet und getestet. Die Crew hatte sich ausgiebig erholt und wollte auch los. Das zum Grundsätzlichen.
Der See-Hirsch
Begeistert hat mich, wie ruhig das Schiff mit Fock und stark gerefften Groß lag, mit sieben Knoten Fahrt. Der Windpilot hatte nach kurzer Zeit sehr präzise und angenehm gesteuert. Der Parasailor war dann sehr entspannt und die Schiffsbewegungen wurden sehr angenehm. Erstaunt haben mich die vielen Fischer, auf die man so weit von der Küste entfernt, Acht geben musste. Soviel zum Seglerischen. Wunderschön war die Ruhe, die ich bei den Abendfahrten hatte, super Stimmung. Es gab nie eine kritische Situation. Wir hatten jederzeit alles im Griff. Und wir haben viel gelacht.
Unsere ultimativen Tipps für die Biskaya-Überquerung
- Das richtige Wetterfenster abwarten! Wir haben uns intensiv mit dem Wetter beschäftigt und täglich die Entwicklung beobachtet. Natürlich ist es auch individuell, was für einen das richtige Wetterfenster ist, aber für uns hieß es: Kein Dauerregen, nicht zu viel Wind, nicht zu wenig Wind (wer will schon motoren?), Wind aus der richtiges Himmelsrichtung, nicht zu große Wellen. Sonne wäre natürlich der Bonus. Und so ein Wetterfenster hatten wir im Großen und Ganzen tatsächlich. Wenn man allerdings bei schlechten Bedingungen die Biskaya überquert, kann die Fahrt ungemütlich und auch kritisch werden.
- Vorkochen! Wir wären in den ersten zwei Tagen nicht gut in der Lage gewesen frisch zu kochen und nur Brot macht einen während so einer anstrengenden Fahrt nicht glücklich. Eine warme leckere Mahlzeit motiviert und stärkt einen ungemein. Bei uns gab es Gemüseeintopf, der mit Linsen und Polenta als Stärkeeinheit variiert wurde. Wer das Rezept möchte, kann gerne fragen. 🙂 Sowohl die Kinder als auch wir haben ordentlich zugeschlagen.
- Reffen, reffen, reffen! Wir haben oft die Segel variiert und auch je nach den Bedingungen gewechselt, um möglichst viel Ruhe in das Boot zu bekommen. Jeden Tag hatten wir andere Segel im Einsatz. Gerade in den ersten beiden Tagen war die Biskaya neben dem Spaß auch harte Arbeit und ohne unsere vorherige Erfahrung schwerer zu meistern gewesen, gerade mit zwei kleinen Kindern an Bord. Die Biskaya ist definitiv nichts für Anfänger, ihren Ruf hat sie nicht umsonst.
9 Gedanken zu „Biskaya-Überquerung – Kinderkotze und Hochleistungssport“
Hallo christina, je mehr man von euch liest, desto mehr fiebert man mit. Sehr spannend. Wir sind jetzt in der westlichen Bretagne und schauen nach bestmöglichen Wetterfenstern Ausschau. Wir haben allerdings auch noch ein paar Vorbereitungen zu treffen. Hattet ihr präventivmaßnahmen gegen Seekrankheit? Ich denke da an reisekaugummies oder so. Oder nur vomex nachdem die kinder gekotzt hatten? Dein Rezept für den Gemüseeintopf würde ich übrigens sehr gerne nehmen. Schickst du es mir? Liebe Grüße und gutes Abwettern, wir wettern ebenfalls bis Sonntag
Hallo Julie,
Wir haben nichts präventiv gegen Seekrankheit gemacht, weil wir alle recht seefest sind. Das Biskaya-Geschaukel hat den Jungs dann aber doch sehr zugesetzt, deswegen gab es nach dem Brechen Vomex. Das Rezept für den Eintopf schicke ich dir gerne zu. 🙂 Drücke euch die Daumen, für ein gutes Wetterfenster! Und auf jeden Fall Zeit für Galizien einplanen, es ist herrlich hier.
Liebe Grüße
Christina
Super, vielen Dank. Ja wir hoffen auf das perfekte Wetterfenster, das wechselhafte bretonische Wetter reicht uns jetzt… wird schon klappen. Aber etwas Vorbereitung benötigt die Überquerung dann doch noch 😉 weiterhin eine tolle Zeit in Gallizien, lg, julie
Hallo ihr 4! Schön das ihr die Biskaya gemeistert habt! Ihr habt meinen vollen Respekt und Hochachtung. Denn ich weiß wie unangenehm so eine fiese Welle von der Seite sein kann. Und dann noch 6 Beaufort Wind. Also alle Achtung und weiterhin viel Spaß
Hey Martin,
vielen Dank! 🙂 Ist der Törn Richtung Karibik schon in Planung? 😉
Christina und ihre drei Männer
aber voll und ganz! Jakob hat schon Flüge rausgesucht und Argumente gesammelt, das es agrnicht soo viel mehr kosten würde 🙂
Sehr gut! Auf Jakob ist Verlass. 😉
Habt alles gut überstanden!
Chtistina deine Berichte begeistern!
Oh, vielen Dank liebe Lydia. 🙂 Heute geht es weiter nach La Coruña.
Liebe Grüße
Christina und ihre drei Männer